Behandlung von PTBSPosttraumatische Belastungsstörung

Die therapeutische Reise nach dem „Kampfeinsatz“

Die therapeutische Reise nach dem „Kampfeinsatz“

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
4 MIN

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Die Therapien finden bei Oberstleutnant Marius W. nicht immer im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg statt. Mit seinem Patienten Marco K. tauschte er vor kurzem das Behandlungszimmer gegen eine Theaterbühne.

Ein Mann bedroht einen Arzt in dem er den Finger erhebt.

Eine Szene aus dem Theaterstück „Kampfeinsatz“: Heimkehrer André Torgau (l.) bedroht seinen Truppenarzt, der ihn nicht verstehen will

Axensprung Theater

Am 29. Juni 2021 endete der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. In fast 20 Jahren gab es zahlreiche Ereignisse, die nicht nur das Gesicht des Einsatzes, sondern auch die Streitkräfte insgesamt, vor allem aber jeden einzelnen Soldaten und jede einzelne Soldatin nachhaltig geprägt haben. Das Erlebte zu verarbeiten - dabei hilft Oberstleutnant Markus W. Er ist psychologischer Traumatherapeut im Zentrum für Seelische Gesundheit am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg und behandelt vor allem Soldatinnen und Soldaten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBSPosttraumatische Belastungsstörung). Heute ist er gemeinsam mit einem seiner Patienten, dem Oberstabsgefreiten Marco K., im Tschaikowsky-Saal im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Der Grund: Die Aufführung des Theaterstücks „Kampfeinsatz“.

„Stell dir vor, es ist Krieg und du gehst hin“

Das unter anderem mit dem Preis „Bundeswehr und Gesellschaft 2023“ für zivilgesellschaftliches Engagement ausgezeichnete Stück handelt von den Erlebnissen und dem Leidensweg des Oberstleutnants André Torgau (gespielt von Oliver Hermann). Wie die meisten seiner Kameradinnen und Kameraden ist er voller Überzeugung in den Einsatz nach Afghanistan gegangen.

Knapp ein halbes Jahr und rund 5.000 Kilometer trennten Oberstleutnant André Torgau von Familie, Freunden und Kameraden in Deutschland. Doch wenige Monate nach seiner Rückkehr ist er ein gebrochener Mann, wird nachts von Albträumen gequält, bekommt tagsüber nichts auf die Reihe und steht im Dauerstress mit seiner Frau Judith, die langsam verzweifelt, obwohl sie ihn liebt. „Was mache ich hier? Ich will wieder zurück zu meinen Kameraden nach Afghanistan“, so Torgau nach seinem Einsatz im aggressiven Monolog mit Judith, gespielt von Mignon Remé.

Ein Mann mit Horror-Clownsmaske sitzt auf einem Stuhl.

Der Clown spielt in der PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Erkrankung von Oberstleutnant André Torgau eine bestimmende Rolle

Axensprung Theater

Torgaus Schicksal steht stellvertretend für die Erfahrungen vieler Soldatinnen und Soldaten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit und bildet den Kern der Theaterproduktion „Kampfeinsatz“ des Axensprung Theaters, das Inszenierungen zur deutschen Geschichte mit dem Schwerpunkt Demokratie erarbeitet. „Kampfeinsatz“ hatte schon 2015 Premiere und wurde nun aufgrund der aktuellen politischen Lage wieder aufgenommen, aber eben auch nicht verändert“, so der gebürtige Hamburger Oliver Hermann, Mitbegründer des Ensembles, Produktionsleiter und Gründer von Axensprung.

Theater als Teil der Therapie

Vor teils bedrückenden Bildern aus Afghanistan zur Zeit des Bundeswehreinsatzes spielt das Ensemble die Geschichte des Heimkehrers Torgau, seiner Frau, eines abgeklärten Psychotherapeuten, eines arroganten Bundeswehrarztes und einiger anderer. Szenen, die Marco K. sehr bekannt vorkommen: „Für mich ist das Theaterstück äußerst realitätsnah. Man merkt, dass im Vorfeld intensiv mit Soldatinnen und Soldaten gesprochen wurde, die ihre gewonnen Erfahrungen und Eindrücke mit eingebracht haben.“
 
Er ist selbst Soldat und arbeitet mit seinem Therapeuten Oberstleutnant Marius W. an den traumatischen Folgen seines Einsatzes. Besondere Schnittstellen waren für den Einsatzheimkehrer ein rotes, flackerndes Bild, das ihn in Teilen getriggert hat. Hinzu kamen die Ausbrüche der Figur Torgau in bestimmten Situationen, insbesondere die erhobene Stimme. „Da habe ich Parallelen gesehen. Die Darstellung des familiären Umfeldes, kam ebenfalls der Realität sehr nahe. Und natürlich die Figur des Clowns – dem Mann hinter dem Lachen“, so der Oberstabsgefreite. 

Podiumsdiskussion: „Mehr mit auf den Weg geben“

Im Anschluss an das Theaterstück fand eine Podiumsdiskussion statt. Hier kamen Therapeuten und Patienten zusammen, um über reale Erfahrungen von Einsatzrückkehrern zu sprechen und Wege zur Heilung aufzuzeigen.

Oberstabsgefreiter Marco K.
"Das Publikum war sehr interessiert. Ich habe die Fragen des Publikums und die Resonanz sehr positiv aufgenommen. Gut war, dass ich meinen behandelnden Therapeuten an meiner Seite wusste“

Der Oberstabsgefreiter weiter: „Natürlich war das für mich sehr anstrengend - das werde ich morgen in Form eines Muskelkaters spüren. Wir konnten mittels der Podiumsdiskussion den Zuschauern noch einiges mehr mit auf den Weg geben, darauf bin ich stolz.“

Fünf Personen führen eine Diskussion auf einem Podium

Oberstleutnant Marius W. (2. v. r.) mit seinem Patienten Oberstabsgefreiter Marco K. (r.) bei der Podiumsdiskussion mit den Schauspielern.

Bundeswehr/ Michael Zacher

Während Marco K. von seinen eigenen Erfahrungen berichtet und die Herausforderungen schildert, mit denen er nach seiner Rückkehr konfrontiert war, gibt Marius W. Einblicke in die therapeutischen Ansätze und Strategien, die er anwendet, um Soldaten wie K. auf dem Weg der Genesung zu unterstützen. „Derartige realitätsnahe Theaterstücke sind wertvoll und stellen eine wichtige Brücke in der Kommunikation zwischen den Streitkräften und der Zivilgesellschaft dar. Ich habe in der anschließenden Podiumsdiskussion feststellen können, dass die Zuschauer sehr interessiert waren. Sie wollten ernsthaft wissen, wie es unseren Soldatinnen und Soldaten, insbesondere nach einem Einsatz geht, was sie motiviert, diesen Dienst zu leisten und wie sie versorgt werden, wenn es zu einem Belastungserleben kommt“, so der Traumatherapeut.

Die therapeutische Reise nach dem „Kampfeinsatz“ ist eine, die nicht nur die individuellen Geschichten von Soldatinnen und Soldaten wie K. und die Expertise von Therapeuten wie Oberstleutnant W. zeigt, sondern auch das gemeinsame Bemühen von Gesellschaft und Individuum, Heilung und Verständnis zu fördern.

von Pascal Meiß, Michael Zacher

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