Barrier Nursing

Übung: Hochinfektiöser Patient fordert das Personal

Übung: Hochinfektiöser Patient fordert das Personal

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
4 MIN

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„We have a situation“, tönt es aus den Lautsprechern der Notaufnahme des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhsBundeswehrkrankenhaus) Hamburg. Der englische Satz ist der Code für einen Patienten beziehungsweise eine Patientin mit Verdacht auf eine hochansteckende, gefährliche Erkrankung und der Beginn einer umfangreichen zivil-militärischen Übung.

Schweißtreibende Arbeit unter den luftgefüllten Schutzanzügen

Schweißtreibende Arbeit unter den luftgefüllten Schutzanzügen.

Bundeswehr/Sandra Herholt

Der Übungspatient in der Notaufnahme ist zwar noch nicht vital bedroht, aber es geht ihm zunehmend schlechter. Der zuständige Internist, Oberfeldarzt Harald Berling, ist für ihn verantwortlich. Er hat vor zwei Jahren einen Barrier-Nursing-Lehrgang absolviert. Unter Barrier Nursing versteht man die Pflege und Behandlung von Patientinnen und Patienten, die an einer hochkontagiösen, lebensbedrohenden Infektionskrankheit erkrankt sind. Dazu zählen virale hämorrhagische Fieber (VHF) wie Marburg-, Ebola-, Lassa-, Krim-Kongo-Fieber, aber auch mögliche ganz neu auftretende, bisher unbekannte Infektionskrankheiten. Alle Symptome deuten bei dem Patienten auf einen sogenannten HCID hin. Die Abkürzung steht für High Consequence Infectious Disease. Diese hochansteckenden Infektionskrankheiten können schwer oder sogar tödlich verlaufen, da es meist keine etablierte Behandlung gibt.

Schutz des medizinischen Personals

Sofort leitet Berling temporäre Isolationsmaßnahmen ein. Dazu verbleit der Patient in seinem Behandlungszimmer. Die Versorgung erfolgt nun ausschließlich im Vollschutz. Die Gefahr für das medizinische Personal, sich anzustecken, ist gerade in diesen Fällen besonders groß. Daher müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Langfristig werden die Patientinnen und Patienten in speziellen Behandlungszentren, sogenannten High Level Isolation Units (HLIU), versorgt.

Kompetenzen trotz Corona nicht verlieren

Auch die Feuerwehr Hamburg ist Teil der Übungskette.

Auch die Feuerwehr Hamburg ist Teil der Übungskette.

Bundeswehr/Sandra Herholt

Beim Management von HCID müssen viele Stellen reibungslos kooperieren. „Wir dürfen nicht die Kompetenzen verlieren, die wir vor Corona hatten“, sagt Jörg Jankowski, Leitender Desinfektor an der Feuerwache 12 in Hamburg-Altona. Die Wache 12 ist der Standort des Infektionsrettungswagen (I-RTWRettungswagen). Ein speziell ausgerüstetes Fahrzeug zum Transport von Patientinnen und Patienten mit HCID und entsprechenden Verdachtsfällen. Die Frauen und Männer von der Feuerwehr wissen, wie sie sich und andere schützen und wie man die gefährlichen Erreger unschädlich macht. Aus den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern transportieren sie infektiöse Patienten sicher in die HLIU des Kompetenz- und Behandlungszentrums der Bernhard-Nocht-Klinik (BNK) am Campus des Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Dort werden sie unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen weiter durch das medizinische Team der BNK betreut, bis entweder das Vorliegen einer HCID bestätigt oder ausgeschlossen wurde. Unterstützt werden sie in der Phase auch durch das Personal des Kooperationspartners Bundeswehrkrankenhaus Hamburg.

Ebola zeigt die Bedeutung solch einer Kompetenz

Die Übung ist für alle beteiligten Akteure nichts Ungewöhnliches. Auch in der Vergangenheit wurden solche Szenarien immer wieder durchgespielt. Bei der Verlegung eines an Ebola erkrankten Patienten im Jahre 2015, vom Airport Hamburg in das UKE, zeigte der reibungslose Ablauf die Wichtigkeit dieser Übungen.
Bei der Untersuchung des Patienten stellt sich der Verdacht auf eine Infektion mit dem Krim-Kongo-Fieber. Eine Virus-Erkrankung, die im Mittelmeerraum, besonders auf dem Balkan und in der Türkei vorkommt.

„Üben, üben, üben!“

Besondere Aufmerksamkeit verlangt das An- und Ausziehen der Schutzausrüstung.

Besondere Aufmerksamkeit verlangt das An- und Ausziehen der Schutzausrüstung.

Bundeswehr/Sandra Herholt

In der Übung zeigt sich erneut: Barrier Nursing erfordert viel Platz und Training. Die Anzüge sind widerspenstig, die Feinmotorik durch drei Paar Handschuhe behindert. Obwohl die Phase in der Notaufnahme kaum länger als 90 Minuten in Anspruch nimmt, entstehen Unmengen von Abfall. Dass der Schleusenbereich, markiert durch farbige Klebestreifen auf dem Boden, absolut zu respektieren ist, wird immer wieder übersehen. Das mag daran liegen, dass es „nur eine Übung“ ist, aber sicher auch daran, dass das Szenario für einige Übungsteilnehmende noch ungewohnt ist und sie auf sehr viele Dinge gleichzeitig achten müssen.
Die Vertrautheit mit der persönlichen Schutzausrüstung und dem Umgang mit Patienten verschwindet jedoch rasch wieder aus dem Gedächtnis, wenn diese nicht regelmäßig aufgefrischt wird. Die Personalfluktuation trägt ihr Übriges zum Wissensverlust bei. Deshalb heißt es: „Üben, üben, üben!“

Körperliche Herausforderung

Die Versorgung von Patienten unter Vollschutz in einer HLIU verlangt dem Personal nicht nur an fachlicher Kompetenz und Expertise, sondern auch körperlich alles ab. Das Rauschen des Gebläses und das Knistern der Anzüge erschwert die Verständigung. Zudem heizt sich das Innere des Schutzanzuges auf. Dennoch muss jeder Handgriff hoch konzentriert durchgeführt werden, um potenziell tödliche Fehler zu vermeiden. „Hier muss jeder Profi in seinem Wirken sein, denn niemand wird im Schutzanzug besser, in dem was er tut“, sagt Stabsfeldwebel Henry Schwanebeck. Er ist als Gesundheits- und Krankenpfleger und Fachkraft für Hygiene das Bindeglied zwischen dem BwKrhsBundeswehrkrankenhaus Hamburg und der Bernhard-Nocht-Klinik.
Am Bwkrhs Hamburg findet zweimal im Jahr der Lehrgang Barrier Nursing statt. In seiner Konzeption ist er einzigartig und ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Er vermittelt die Erfahrungen, die die Mitarbeitenden des Fachbereichs Tropenmedizin und Infektiologie des BwKrhsBundeswehrkrankenhaus Hamburg in inzwischen fast 20 Jahren erworben haben. Dazu gehört neben der realen Behandlungserfahrung von an Ebola und Lassa Erkrankten auch das Herstellen von sicheren Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit HCID. Sei es in der Notaufnahme, in einem Feldlazarett oder in einem Ausbruchsgebiet - wie in Westafrika.
Das erste Fazit nach der Übung: Das funktioniert gut, aber wir können und müssen noch viel besser werden! Wir sollten diese Übung unbedingt bald wiederholen!



von Dr. Dorothea Wiemer

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Trotz der Belastung muss die Dokumentation stimmen

Trotz der Belastung muss die Dokumentation stimmen.

Bundeswehr/Sandra Herholt
Verlegung des hochinfektiösen Patienten durch einen speziellen Rettungswagen

Verlegung des hochinfektiösen Patienten durch einen speziellen Rettungswagen.

Bundeswehr/Sandra Herholt